Der Davos-Kontext: Kontext eines Requiems
Wie gut, dass ich
das Motto des diesjährigen Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos („Der neue
globale Kontext“) gleich nach seiner Bekanntgabe im letzten Oktober
aufgegriffen habe (>>> Auf- und Überholen in der Weltwirtschaft: Der neue globale Kontext). Die Programm-Macher
hatten es nämlich so verstanden, dass in den Headlines der Veranstaltungen am heutigen
ersten Tag möglichst oft die Wörter „neu“ und „Kontext“ vorkommen müssten. Und
so gab es Panels unter dem Motto „Der neue digitale Kontext“, „Der neue
Energiekontext“, „Der neue Wachstumskontext“, „The New Banking Context“ und „Der
Lateinamerika-Kontext“. Kein Wunder, dass so mancher Beobachter schon nach
kurzer Zeit des Davoser Kontextes überdrüssig war, so der Blogger der Financial Times, der spekulierte, dass auch der britische Prinz Andrew sein Statement zum
Sex mit einer Minderjährigen in den „neuen globalen Kontext“ stellen würde.
Dabei
ist das diesjährige WEF-Motto, das auf die grundlegenden Verschiebungen in den
internationalen Kräfteverhältnissen und die neuen wirtschaftlichen, politischen
und sozialen Unsicherheiten verweist, gar nicht so schlecht. Doch hörte man
dazu am ersten Tag ebenso wenig Neues wie in jenem Jahr, als der Slogan von
Davos großspurig die „Große Transformation“ verkündete. Es kann sein, dass nach
45 Jahren Davos die Luft aus dem Treffen derjenigen raus ist, die sich selbst hochtrabend
als die Elite der Weltpolitik und Weltwirtschaft sehen. Des Davoser Kontextes überdrüssig
scheinen wohl auch die Organisatoren des Public Eye-Lifetime-Awards zu sein,
die ihren Schmähpreis an die verantwortungslosesten Konzerne dieses Jahr zum
letzten Mal verleihen und dies mit eine „WEF-Requiem“ verbinden wollen.
Gut
ist das WEF allerdings immer noch, um ein paar Dinge über das zu erfahren, was
uns im vor uns liegenden Jahr so erwartet. So vernahm man staunend, dass sich
die türkische G20-Präsidentschaft 2015 dafür einsetzen will, die G20 zum
Instrument für eine „neue Weltordnung der Inklusion“ zu machen. „Inclusiveness“
soll u.a. dadurch hergestellt werden, so der türkische Premierminister Ahmet
Davutoglu in Davos, dass die Nicht-G20-Länder wie die Entwicklungsländer mit
niedrigem Einkommen (LIDCs) besseren Zugang zur G20 bekommen, Themen wie
Ernährungssicherheit und Ungleichheit auf die Tagesordnung kommen. Auch für
mehr Frauenpartizipation soll sich die G20 stark machen. Dies alles mag unter
dem Stichwort „Window dressing“ verbucht werden. Aber aufhorchen ließ der Hinweis
Davutoglus, dass die Transatlantische Handels- und Investment-Partnerschaft
(TTIP) in ihrer exklusiven Form auch gegen die Türkei gerichtet ist, die sich
in einer Zollunion mit der EU befindet.
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