Argentinien und die Geierfonds: Der Default ist da
Gastblog von Jürgen Kaiser*)
Der argentinische
Staat ist seit heute wieder ein säumiger Schuldner. Die Regierung weigert sich
zu Recht, die Forderung des Geierfonds NML-Capital
in Höhe von 1,3 Mrd. US-Dollar zu bedienen. Gemäß dem Urteil des US-Richters Thomas
Griesa ist es ihr damit technisch unmöglich, die normalen Zahlungen an ihre
legitimen Gläubiger in den USA zu leisten.
Argentinien
wird damit nicht in eine neuerliche wirtschaftliche Katastrophe geraten wie
2002, denn das Land hatte in den letzten Jahren ohnehin kaum Zugang zum
Kapitalmarkt. Trotzdem hat das wachstumsschwache und inflationsgeplagte Land
keine leichten Jahre vor sich.
Internationale
Investmentfonds, die wie NML Capital
Staatsschulden auf dem Sekundärmarkt mit hohen Abschlägen kaufen, um dann auf
die volle Summe zu klagen, werden zu Recht als Geierfonds bezeichnet. Trotzdem
wäre es falsch, an ihre Moral oder ihr Verantwortungsbewusstsein zu
appellieren, um so der Geierplage Herr zu werden. Unabhängig davon, dass die
Herren über das große Geld in der Regel weder über das eine noch über das
andere verfügen: Es ist auch nicht ihre Aufgabe.
So,
wie von Investoren, die in eine pleite gegangene Warenhauskette investiert
haben, niemand erwarten kann, dass die plötzlich ihr Herz für die jahrelang
unterbezahlten Verkäuferinnen entdecken, ist auch das Schicksal der ärmeren
Bevölkerungsschichten Argentiniens NML & Co herzlich schnuppe. Vielmehr
wäre es die Aufgabe des (Gläubiger-)Staates, so wie er für die möglichst
sozialverträgliche Abwicklung eines Insolvenzfalls im heimischen Rechtssystem
zu sorgen hat, auch für internationale Insolvenzen Regeln zu schaffen, die z.B.
bei einer mehrheitlich beschlossenen Umschuldung, wie im Fall Argentiniens,
dafür sorgt, dass nicht einzelne aus dem Verzicht der Mehrheit ihren Gewinn
ziehen. Möglich wäre das. Das internationale Recht böte dafür eine Grundlage.
Praktische Vorschläge, wie es umzusetzen wäre, liegen seit Jahren in großer
Zahl auf dem Tisch.
Aber
genau das hat die internationale Politik in den 13 Jahren seit dem letzten
Zahlungsausfall Argentiniens versäumt. Zwei Bundesregierungen (rot/grün und
schwarz/gelb) hatten die Forderung nach einer geordneten Staateninsolvenz in
ihre Koalitionsverträge geschrieben. Getan haben sie nichts.
Die
Konsequenzen aus dem “Fall Argentinien” werden in nächster Zeit vielerorts
sichtbar sein: Die Geier werden versuchen, auch auf die erst jüngst
vereinbarten Zahlungen Argentiniens an die staatlichen Gläubiger des Pariser Klubs
zuzugreifen. Die internationalen Energie-Unternehmen (u.a. aus Deutschland),
die gerne in das jüngst erschlossene Ölfördergebiet Vaca Muerte in der
Provinz Neuquén einsteigen würden, werden Umwege für ihr Engagement finden
müssen, bei denen die Geier nicht auf ihre Mittel zugreifen können, und dadurch
beispielsweise gegenüber chinesischen Investoren erheblich ins Hintertreffen
geraten. Und mit dem US-Urteil im Rücken halten die Geier schon nach den
nächsten Opfern Ausschau. Dazu gehören niedrig bewertete Papiere Griechenlands
und Zyperns ebenso wie Uralt-Schulden einiger der ärmsten Länder in Afrika.
Nur,
wenn Schuldner die Möglichkeit haben, verlässlich, rechtsstaatlich und
verbindlich alle ihre Gläubiger in eine Umschuldung einzubeziehen, wird dem
Geschäftsmodell der Geier der Boden entzogen. Wann wollen die G7, die in der
Vergangenheit die Regeln für die Schuldenerlasse der ärmsten Länder gesetzt
haben, dieser Verantwortung nachkommen, wenn nicht jetzt?
*)
Jürgen Kaiser ist Koordinator der
Kampagne erlassjahr.de
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