3. Dezember 2013

Indische Regierung in Bali von allen Seiten unter Druck

Gastblog von Tobias Reichert*), z.Zt. Bali 

Die 9. Ministerkonferenz der WTO wurde heute vom Vorsitzenden, dem indonesischen Handelsminister Gita Wirjawan, offiziell zur Verhandlungssitzung erklärt. Damit wird es neben den vorbereiteten Erklärungen der Minister auch Verhandlungssitzungen geben. Wichtigster Streitpunkt bleibt die Frage, wie weit die Flexibilität für Entwicklungsländer erweitert wird, Lebensmittel für öffentliche Lagerhaltung und Programme der Ernährungssicherheit zu staatlich festgelegten Preisen anzukaufen. Die vom indischen Parlament im Sommer beschlossene Ausweitung des Verkaufs von subventioniertem Getreide auf 800 Millionen Menschen, könnte dazu führen, dass die derzeit gültige Obergrenze dafür verletzt wird.

Gemeinsam mit der Gruppe von 33 Entwicklungsländern mit kleinbäuerlicher Landwirtschaft (G33) hatte Indien schon im Frühjahr dieses Jahres gefordert, das Agrarabkommen an diesem Punkt zu verändern. Der Vorschlag basierte dabei auf dem konsolidierten Verhandlungstext der Doha-Runde, der 2008 aus anderen Gründen gescheitert war. Da vor allem die USA zu einer Regeländerung im Rahmen des Bali-Pakets nicht bereit waren, wurde in Genf eine auf vier Jahre befristete „Friedensklausel“ vorgeschlagen, mit der sich die WTO-Mitglieder verpflichten sollten, kein WTO-Verfahren anzustrengen, auch wenn sie die Verletzung von WTO-Regeln durch ein Programm der Ernährungssicherung eines anderen Lands vermuten. In dieser Zeit solle eine dauerhafte Lösung verhandelt werden.

Bauernverbände, darunter der größte Indiens, Vertreter der Zivilgesellschaft und die größte Oppositionspartei laufen gegen eine zeitlich befristete Lösung Sturm. Sie befürchten, dass das indische Programm nach Ablauf der Frist wieder in Frage gestellt wird. Bei der bisherigen Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung in der WTO ist alles andere als sicher, dass in vier Jahren eine dauerhafte Lösung vereinbart werden kann. Gleichzeitig versuchen der WTO-Generaldirektor und die Industriestaaten, die indische Regierung zu isolieren. Noch vor dem offiziellen Beginn fand ein Treffen aller Verhandlungsführer statt, bei dem vor allem die Vertreter von LDCs und afrikanischen Staaten ihr Interesse am Abschluss des Bali-Pakets äußern sollten, das ihnen gerade mit versprechen auf mehr Unterstutzung zur Umsetzung des neuen Abkommens zu Trade Facilitation versüßt wurde. Es hilft der indischen Position sicher auch nicht, dass der Koordinator der G33, sein natürlicher Verbündeter bei dem Thema, derzeit Indonesien heißt, und damit als Gastgeber an einem Abschluss in Bali interessiert ist.

Druck kommt auch von der Financial Times, deren neuer Handelskorrespondent, Shawn Donnan, den früheren indischen Handelsminister Kamal Nath für das Scheitern vorhergehender Einigungsversuche 2008 in Genf und 2005 in Hongkong allein verantwortlich macht. In Hongkong wurde übrigens gar kein Abschluss der Doha Runde angestrebt, sondern einstimmig eine Ministerklärung mit Zwischenergebnissen verabschiedet, und 2008 lehnten die USA eine von EU und Indien verhandelte Kompromissformel ab. Donnan unterstellt dem neuen indischen Handelsminister Anand Sharma nun, aus Profilierungs- und Wahlkampfgründen auch das Bali-Paket scheitern zu lassen.

Im Anschluss an die Eröffnungszeremonie protestierten im Konferenzgebäude die anwesenden Vertreter von indischen Bauernverbänden und NGOs spontan für eine dauerhafte Lösung des Ernährungssicherheitsproblems und gegen eine zeitlich begrenzte Friedensklausel. – Ein Kompromiss zeichnet sich noch nicht ab. Ob die Strategie, Indien in die Ecke zu drängen, dabei hilft, kann bezweifelt werden. 

*) Tobias Reichert ist Teamleiter bei Germanwatch für Welternährung, Landnutzung und Handel. 

Nachsatz: Unterdessen hat der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, erklärt, das Bali-Paket müsse den Entwicklungsländern eine ehrgeizige Politik der Ernährungssicherung gestatten.

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