Abgekasperte G8-Kampagne
Auch
wenn die G8 infolge des Aufstiegs der G20 viel an Bedeutung verloren hat,
bleibt sie ein bedeutendes Forum der Koordination der Industrieländer
untereinander. Nicht nur die diesjährige G8-Präsidentschaft Großbritanniens,
auch die britischen NGOs wollen sie nutzen, um entwicklungspolitische Akzente
zu setzen. Rund 100 NGOs haben deshalb Anfang des Jahres die Kampagne „Enough
Food for Everyone“, die sog. IF Campaign, lanciert. Die Regierung
ihrerseits ist u.a. daran interessiert, London als großzügigen
Entwicklungshilfe-Geber, der kurz vor der Erreichung des 0,7%-Ziels steht, und Premierminister
Cameron selbst als entschiedenen Kämpfer gegen den Welthunger darzustellen. Ein
Sonderevent im Rahmen der G8-Präsidentschaft ist zum Thema „Food and Nutrition“
geplant, in Anknüpfung an den zur Olympiade im letzten Jahr inszenierten
„Hungergipfel“ und die ebenfalls im letzten Jahr gegründete G8-Initiative „New
Alliance for Food Security and Nutrition in Africa“.
Das
bietet für die Zivilgesellschaft sicher zahlreiche Anknüpfungspunkte zur
kritischen Intervention. Doch was als kritische Kampagne daherkommt, kann seine
Regierungsnähe nicht verbergen. Da wird beispielsweise die „Leadership“
Camerons gerühmt. Höchst problematisch ist darüber hinaus, dass die nach außen
hin u.a. auf das britische Entwicklungsministerium (DFID) zielende Kampagne
nahezu komplett von diesem finanziert wird. Auch inhaltlich wurden wesentliche
Kampagnen-Elemente bereits ein Jahr zuvor mit dem Ministerium abgekaspert, wie
jetzt die Website brightgreenscotland.org
enthüllt hat. Als Beleg wird ein Schreiben von DFID an John Hillary von War on Want angeführt.
Während
die IF Campaign im Wesentlichen von großen NGOs wie Oxfam GB, Christian Aid,
CAFOD, ActionAid und Save the Children (die sich zur BOAG – British Overseas
Aid Group – zusammengeschlossen haben) gesteuert wird, zogen es andere NGOs,
z.B. War on Want und das World Development Movement, und die Gewerkschaften
vor, der Kampagne wegen ihrer mangelnden Distanz zur Regierung fernzubleiben.
Deutlich
kritischer als das Gros der britischen Kollegen sehen offensichtlich die
deutschen NGOs die G8-Politik. Vornehmlich als Wegbereitung für private
Direktinvestitionen im afrikanischen Agrarsektor wird von ihnen die „New
Alliance for Food Security and Nutrition in Africa“ eingeschätzt, die im
letzten Mai unter der US-amerikanischen G8-Präsidentschaft ins Leben gerufen
wurde. Dies ist einem Positionspapier
(„Strukturanpassung 2.0“) zu entnehmen, das u.a. von Brot für die Welt,
Misereor, Germanwatch und Oxfam Deutschland erarbeitet wurde. In der Neuen
Allianz arbeiten die G8-Staaten mit sechs afrikanischen Staaten (Äthiopien,
Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana, Mosambik, Tansania), multilateralen
Organisation (u.a. Weltbank, Welternährungsprogramm) und einigen der größten
Unternehmen des Agrar- und Ernährungsbereichs (u.a. Cargill, Syngenta,
Monsanto, Yara) zusammen. Ihr Ziel ist es, in diesen afrikanischen Ländern
sichere Rahmenbedingungen für private Investitionen im Agrarsektor zu schaffen.
Man erhofft sich, damit in den nächsten zehn Jahren 50 Millionen Menschen aus
der Armut zu befreien. Die Bundesregierung unterstützt die Neue Allianz für
Ernährungssicherheit aktiv und stellt Mittel unter dem Schirm der G8 New
Alliance bereit. Die NGOs warnen jedoch, diese Initiative nütze zwar der Agrar-
und Ernährungsindustrie, den Kleinbauern aber könnte sie schaden.
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