L20: Die soziale Komponente der G20?
Es
ist ein sicheres Zeichen, dass ein G20-Gipfel naht, wenn sich die
Ministertreffen häufen. Heute und morgen treffen sich beispielsweise in
Guadalajara/Mexiko die Arbeitsminister der G20-Staaten (kurz: L20) und parallel
dazu in Mexiko-Stadt die Agrarminister. Besonders L20 wird von vielen
zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) neidvoll beäugt, weil dazu ein
institutionalisierter Konsultationsmechanismus zwischen den G20 und der
internationalen Gewerkschaftsbewegung sowie der privaten Geschäftswelt gehört,
während sich CSOs bislang mit Ad-hoc-Konsultationen nach Gutdünken der
jeweiligen G20-Präsidentschaft begnügen müssen. Bei näherem Hinsehen sind
freilich auch institutionalisierte Konsultationsmechanismen kein Garant für die
Durchsetzung progressiver Forderungen.
Der
diesjährige L20 wird wie im letzten Jahr Empfehlungen an die Staats- und
Regierungschefs formulieren, die am 18./19. Juni in Los Cabos auf der Halbinsel
Baja California zusammenkommen. Im letzten November hatte das Kommuniqué des
G20-Gipfels in Cannes immerhin verzeichnet, das künftig die soziale Dimension
der Globalisierung ein Dauerthema auf der G20-Agenda sein solle. Eine
Employment-Task-Force sollte ins Leben gerufen und in den G20-Ländern sollte
ein „Sockel sozialer Sicherung“ („Social protection floor“) ins Leben gerufen und
die Umsetzung sozialer und gewerkschaftlicher Rechte gestärkt werden.
Die
stärkere Berücksichtigung des Beschäftigungsproblems ist jedoch nach wie vor
ein brennendes Problem internationaler Wirtschaftspolitik. Die G20-Länder
müssten in diesem Jahr 21 Millionen Jobs schaffen, wenn das
Beschäftigungsniveau von vor der Krise wieder erreicht werden soll, haben ILO
und OECD rechtzeitig zum Beginn des L20-Gipfels in einer Studie festgestellt. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist in
vielen G20-Ländern ein Problem, während die prekäre Beschäftigung in allen
Ländern zunimmt. Einen besonders hohen Anteil an informeller Beschäftigung
verzeichnen mit durchschnittlich 40% die Schwellenländer, sofern Daten
verfügbar sind.
Doch
die Antworten auf dieses Problem sind zwischen ILO und OECD, die von den G20
mit der inhaltlichen Zuarbeit beauftragt wurden, keineswegs so einheitlich wie
notwendig. Während ILO-Generaldirektor JuanSomavia eine „bessere Integration von Wirtschafts- und Sozialpolitik mit
besonderem Nachdruck auf produktive Investitionen, Beschäftigung und
menschenwürdige Arbeit“ fordert, „um neue Quellen der Nachfrage zu fordern“,
weist sein OECD-Kollege Angel Gurria
die L20-Minister darauf hin, „dass es kosteneffiziente Wege zur Förderung der
Jugendbeschäftigung gibt und dass jede fiskalische Konsolidierung klug, wachstumsfreundlich
sein und auf die Interessen zukünftiger Generationen ausgerichtet sein muss“ –
was immer das heißen mag. Wenn sie beidegemeinsam zum Beschäftigungsproblem Stellung nehmen, dann betonen sie „die
Förderung von Investitionen in die Infrastruktur, die Sicherung des Zugangs von
kleinen und mittleren Unternehmen zu Bankkrediten, die Befreiung der Märkte im
Sinne der Arbeitsplatzförderung, die Ausweitung sozialer Sicherung und die
Gewährleistung des Übergang von der Schule in die Arbeitswelt für die
Jugendlichen“. – Bei dieser Instrumentenbox der Beliebigkeit, aus der sich
jeder nach Gutdünken bedienen kann (oder auch nicht), ist es freilich kein
Wunder, dass die Arbeitslosigkeit in den meisten G20-Ländern immer noch auf dem
Tiefpunkt der Krise dahin dümpelt.
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