17. Mai 2012

L20: Die soziale Komponente der G20?

Es ist ein sicheres Zeichen, dass ein G20-Gipfel naht, wenn sich die Ministertreffen häufen. Heute und morgen treffen sich beispielsweise in Guadalajara/Mexiko die Arbeitsminister der G20-Staaten (kurz: L20) und parallel dazu in Mexiko-Stadt die Agrarminister. Besonders L20 wird von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSOs) neidvoll beäugt, weil dazu ein institutionalisierter Konsultationsmechanismus zwischen den G20 und der internationalen Gewerkschaftsbewegung sowie der privaten Geschäftswelt gehört, während sich CSOs bislang mit Ad-hoc-Konsultationen nach Gutdünken der jeweiligen G20-Präsidentschaft begnügen müssen. Bei näherem Hinsehen sind freilich auch institutionalisierte Konsultationsmechanismen kein Garant für die Durchsetzung progressiver Forderungen.

Der diesjährige L20 wird wie im letzten Jahr Empfehlungen an die Staats- und Regierungschefs formulieren, die am 18./19. Juni in Los Cabos auf der Halbinsel Baja California zusammenkommen. Im letzten November hatte das Kommuniqué des G20-Gipfels in Cannes immerhin verzeichnet, das künftig die soziale Dimension der Globalisierung ein Dauerthema auf der G20-Agenda sein solle. Eine Employment-Task-Force sollte ins Leben gerufen und in den G20-Ländern sollte ein „Sockel sozialer Sicherung“ („Social protection floor“) ins Leben gerufen und die Umsetzung sozialer und gewerkschaftlicher Rechte gestärkt werden.

Die stärkere Berücksichtigung des Beschäftigungsproblems ist jedoch nach wie vor ein brennendes Problem internationaler Wirtschaftspolitik. Die G20-Länder müssten in diesem Jahr 21 Millionen Jobs schaffen, wenn das Beschäftigungsniveau von vor der Krise wieder erreicht werden soll, haben ILO und OECD rechtzeitig zum Beginn des L20-Gipfels in einer Studie festgestellt. Besonders die Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen G20-Ländern ein Problem, während die prekäre Beschäftigung in allen Ländern zunimmt. Einen besonders hohen Anteil an informeller Beschäftigung verzeichnen mit durchschnittlich 40% die Schwellenländer, sofern Daten verfügbar sind.

Doch die Antworten auf dieses Problem sind zwischen ILO und OECD, die von den G20 mit der inhaltlichen Zuarbeit beauftragt wurden, keineswegs so einheitlich wie notwendig. Während ILO-Generaldirektor JuanSomavia eine „bessere Integration von Wirtschafts- und Sozialpolitik mit besonderem Nachdruck auf produktive Investitionen, Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit“ fordert, „um neue Quellen der Nachfrage zu fordern“, weist sein OECD-Kollege Angel Gurria die L20-Minister darauf hin, „dass es kosteneffiziente Wege zur Förderung der Jugendbeschäftigung gibt und dass jede fiskalische Konsolidierung klug, wachstumsfreundlich sein und auf die Interessen zukünftiger Generationen ausgerichtet sein muss“ – was immer das heißen mag. Wenn sie beidegemeinsam zum Beschäftigungsproblem Stellung nehmen, dann betonen sie „die Förderung von Investitionen in die Infrastruktur, die Sicherung des Zugangs von kleinen und mittleren Unternehmen zu Bankkrediten, die Befreiung der Märkte im Sinne der Arbeitsplatzförderung, die Ausweitung sozialer Sicherung und die Gewährleistung des Übergang von der Schule in die Arbeitswelt für die Jugendlichen“. – Bei dieser Instrumentenbox der Beliebigkeit, aus der sich jeder nach Gutdünken bedienen kann (oder auch nicht), ist es freilich kein Wunder, dass die Arbeitslosigkeit in den meisten G20-Ländern immer noch auf dem Tiefpunkt der Krise dahin dümpelt.

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