NGOs beim G20-Gipfel in Cannes: Scheideweg?
Die meisten NGOs, sofern sie sich überhaupt mit dem G20-Gipfel in Cannes beschäftigen, erwarten Durchbrüche in zwei Bereichen: Sie wollen eine Entscheidung über die Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTT) und ein klares Votum, dass deren Erträge für die Armutsbekämpfung und den Klimaschutz verwendet werden. Und sie wollen, dass in Cannes konkrete Beschlüsse zur Eindämmung der ausufernden Spekulation mit Nahrungsmitteln gefasst werden. Oxfam fügt noch hinzu, dass der Gipfel auch die festgefahrenen Klimaverhandlungen wieder in Gang bringen müsse.
Insgesamt sieht Oxfam die G20 an einem Scheideweg: Die G20 könnte einen „Richtungswechsel zu weltweiter Stabilität und sozial und ökologisch nachhaltigem Wohlstand“ auf den Weg bringen, „wenn die G20 über den Schatten ihrer kurzfristigen Eigeninteressen springen“. „Die G20 müssen nun in Cannes unter Beweis stellen, wie ernst es ihnen damit ist, das maßlose Zocken der Spekulanten einzudämmen.“ Wirklich?
Allmählich stellt sich die Frage, ob die Artikulation solcher Erwartungen dem Wunschdenken der NGOs entspringt oder ob die Latte im Vorhinein so hoch gelegt wird, dass hernach umso stärker auf die enttäuschenden Beschlüssen draufgehauen werden kann. Eine Einführung der FTT durch die G20 wird es jedenfalls nicht geben. Dies lässt sich mühelos im Umkehrschluss aus dem heutigen Interview mit Finanzminister Wolfgang Schäuble herauslesen, der schon mal vorsorglich deren Einführung in der Eurozone angekündigt hat. Das wäre schon mal ein großer Erfolg der NGOs, der weitere nach sich ziehen könnte.
Was das Vorgehen gegen die Nahrungsmittelspekulation betrifft, sieht es ähnlich aus. Bei einer Veranstaltung in der letzten Woche war aus deutschen Sherpa-Kreisen zu vernehmen, dass sich die Bundesregierung im Vorfeld des G20-Gipfels weder auf Positionslimits noch auf ein Handelsverbot für bestimmte Investorengruppen festlegen wollte (>>> G20-Gipfel in Cannes: Der Lack ist ab). Aber das Thema bleibt dennoch auf der Agenda – auch nach Cannes.
Schließlich: Die G20 als Wiederbelebungsinstrument der Klimaverhandlungen? Auf der Agenda steht ein Abgabesystem für den internationalen Schiffsverkehr. Dadurch würden klimaschädliche Treibhausgase reduziert, und die erzielten Einnahmen könnten arme Länder bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen. „Über eine Abgabe auf Schiffsdiesel-Treibstoffe lassen sich pro Jahr 10-15 Mrd. US-Dollar für den Green Climate Fund erwirtschaften“, erklärt Oxfam. Nur: Die Verhandlungen über den Grünen Klimafonds haben soeben einen herben Rückschlag erlitten. Und die G20 sind nicht gerade das ideale Instrument, sie wieder in Gang zu bringen.
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