26. November 2009

WTO-Ministerkonferenz in Genf: Post-Doha-Agenda und WTO-Reform?

Entgegen früherer Ankündigungen wird die sog. Doha-Runde jetzt doch offizielles Thema bei der am kommenden Montag in Genf beginnenden 7. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) sein. Das ruft – zehn Jahre nach „Seattle“ – erneut NGOs, Globalisierungskritiker und soziale Bewegungen auf den Plan. Nach ihrer Ansicht brächte ein Abschluss der Doha-Runde auf der Basis des gegenwärtigen Verhandlungsstands den Entwicklungsländern mehr Schaden als Nutzen. Viele, etwa die Alliance Sud (die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks), fordern deshalb einen Abbruch dieser Verhandlungsrunde und eine neue WTO-Agenda (>>> Positionspapier).

Die Forderung ist nicht ganz konsequent, denn zugleich fordert Alliance Sud, solche Verhandlungsresultate, die positiv für die Entwicklungsländer sind, dennoch umzusetzen. Dazu zählen insbesondere:
* die Abschaffung aller Exportsubventionen für Agrargüter bis 2013;
* die Reduzierung von internen Stützungsmaßnahmen, welche den Agrarhandel verzerren;
* die Erleichterung des Handelsaustausches durch den Abbau technischer und bürokratischer Hindernisse;
* die Möglichkeit, den Patentschutz auf Medikamenten bei Pandemien auszusetzen;
* und die Gewährung eines zoll- und kontingentfreien Marktzugangs für die ärmsten Länder.

Das sind sicherlich Zugeständnisse, die die Ungerechtigkeiten im multilateralen Handelssystem zumindest teilweise korrigieren könnten. Die große Frage ist jedoch, ob sich die Industrieländer darauf einlassen und bereit sein werden, gleich zu einer „Post-Doha-Agenda“ überzugehen. Thema dieser Agenda müssten die handelspolitischen Beiträge zur Lösung aktueller Probleme wie die Klima- oder die Hungerkrise sein. Laut Alliance Sud ginge es bei dieser Post-Doha-Agenda insbesondere um:
* handelspolitische Maßnahmen gegen den Klimawandel, insbesondere den erleichterten Transfer klimafreundlicher Technologien in den Süden, die Reglementierung der Subventionen für fossile Energien und den Umgang mit CO2-Strafzöllen auf Importen, welche die Länder des Südens diskriminieren;
* die Sicherung des Rechts auf Nahrung und die Bekämpfung des Preisdumpings, das einheimische Kleinbauern in den Ruin führt;
* den Wildwuchs von regionalen und bilateralen Handelsabkommen, welche das multilaterale Handelssystem untergraben.

Richtig wird bemerkt, dass die WTO bei diesen Themen vielfach eher Teil des Problems als Teil der Lösung ist. Deshalb müssten gleichzeitig die Strukturen und die Funktionsweise der WTO reformiert, demokratisiert und stärker auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer ausgerichtet werden. Vorschläge dazu haben jetzt das in Genf ansässige International Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD) und das Global Economic Governance Programme der Universität Oxford zusammengestellt. Die Autoren der Studie unter dem Titel Strengthening Multilateralism: A Mapping of Proposals on WTO Reform and Global Trade Governance wünschen sich bis 1. Februar 2010 viele Kommentare (>>> http://strengtheningmultilateralism.wikispaces.com/), die in die Endversion einfließen können.

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