Späte Einsichten: Brown, Steinbrück etc.
Ringen sich sozialdemokratische Finanzpolitiker immer erst zu den guten Ideen durch, wenn sie kurz vor dem Abgang stehen? Das war beim ehemaligen deutschen Finanzminister Peer Steinbrück so, als er kurz vor dem Pittsburgh-Gipfel der G20 im Wahlkampf den Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer (FTT) aus der Tasche zog. Das gilt möglicherweise auch für den britischen Premierminister Gordon Brown, der jetzt vor den staunenden Finanzministern der G20 den Widerstand gegen die Einführung globaler Steuern aufgab und die Kapitaltransaktionssteuer als eine von mehreren Ideen nannte, um die Banken an den Kosten ihrer Rettung in Krisensituationen zu beteiligen. Es sei untragbar, so Brown, „dass der Erfolg in diesem Sektor von wenigen eingeheimst wird, die Kosten für Versagen aber uns allen aufgebürdet werden" (>>> Rede im Wortlaut).
Auch wenn sich der Gedanke von den späten Einsichten, die – weil die eigene Wahlschlappe kurz bevor steht – dann doch nicht mehr durchgefochten werden müssen, geradezu aufdrängt – die Bewegung, die in die internationale Debatte um die Finanzmärkte und ihre Regulierung gekommen ist, ist mehr als bemerkenswert. Geradezu symbiotisch war bislang das Verhältnis der von Tony Blair modernisierten Labour-Sozialisten zum Finanzplatz London. Das Schicksal der City galt als identisch mit Erfolg oder Misserfolg der Labour-Leute. Doch wie sich jetzt zeigt, ist auch in England keine Allianz auf die Ewigkeit angelegt. Den Anfang machte der Chef der obersten britischen Regulierungsbehörde Lord Turner, als er in diesem Spätsommer die Tobin-Steuer wieder ins Gespräch brachte und auf die parasitären Eigenschaften des Finanzsektors hinwies.
Die Kehrtwende der britischen Regierung in puncto globale Steuern bedeutet vor allem, dass die USA jetzt ihren wichtigsten Bündnispartner in Europa verlieren. Zwar hat US-Finanzminister Geithner in St Andrews die Idee einer FTT sogleich verworfen; die mehrfach gestellte Frage nach dem „Warum?“ wusste er allerdings nicht so recht zu beantworten; die Idee habe in den USA eben keinen großen Rückhalt, sagte er. Doch das kann sich natürlich ändern. Jedenfalls ist klar, dass die Finanzleute von Präsident Obama, die weitgehend noch aus dem alten Finanzmarktestablishment kommen, das die Krise mit zu verantworten hat, jetzt Farbe bekennen müssen. Ein Druckfaktor kommt allen denen da zupass, die wirkliche Veränderungen wollen: der Trend des US-Dollars nach unten und die immer offener angestellten Überlegungen, ob es nicht eine Alternative zu der bisherigen Leitwährung der Welt geben könnte.
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