6. Juli 2008

G8 in Japan: Untauglich für globale Wirtschaftskooperation

Meine (nicht gerade optimistischen) Erwartungen an den morgen beginnenden G8-Gipfel in Hokkaido/Japan habe ich Ende letzter Woche in einem Interview mit dem Neuen Deutschland zu Protokoll gegeben. Hier ist der Text:

2007 in Heiligendamm standen vor allem Afrika und Klimawandel hoch oben auf der Agenda. Für Afrika wurde das Versprechen wiederholt, die Entwicklungshilfe bis 2010 auf 50 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln. In Sachen Klimawandel wurde Merkel dafür gelobt, dass sie den G8-Staaten das Versprechen abgenommen hat, bis 2050 eine Halbierung des C02-Ausstosses zu erreichen. Sind die G8 ein Jahr danach auf Kurs?

In keinster Weise. Was die Klimapolitik betrifft, gibt es kein gemeinsames und für alle G8-Mitglieder verbindliches Reduktionsziel bei CO2. Und was die Entwicklungshilfeleistungen betrifft, sind eigentlich alle G8-Länder im Rückstand. Die Entwicklungshilfeetats steigen zwar - teilweise sogar überdurchschnittlich wie in Deutschland, aber längst nicht genug, um die Versprechen, die bereits 2005 im schottischen Gleneagles gemacht und in Heiligendamm bekräftigt wurden, einzulösen.  

In Deutschland steigt der Entwickungshilfeetat in absoluten Zahlen. Werden auch die relativen Ziele in Bezug auf den Anteil am Bruttonationaleinkommen erreicht, die die Bundesregierung zugesagt hat?

Nein, leider nicht. Insgesamt sollen die Mittel für die Armutsbekämpfung 2009 um 800 Millionen Euro erhöht werden. Laut Finanzministerium erhält Wieczorek-Zeul davon rund 513 Millionen Euro. Weitere Gelder zur Erhöhung der Entwicklungshilfe bekommen das Auswärtige Amt (150 Millionen Euro), das Umweltministerium (120 Millionen Euro) sowie weitere Ressorts mit rund 17 Millionen Euro. Das reicht aber gerade mal, um 0,37% des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu halten. Die Erhöhung des BNE-Anteils auf 0,51% bis zum Jahr 2010 kann damit nicht erreicht werden.

Der G8-Gipfel 2008 wird von Krisen überschattet. Ölpreis auf Rekordniveau, Nahrungsmittelpreise ebenso. Haben die G8 Lösungsvorschläge im Köcher?

Nicht wirklich. Es wird damit gerechnet, dass die G8 die eine oder andere Botschaft von Hokkaido in die Welt aussenden wird, aber es ist nicht damit zu rechnen, dass sie beispielweise in Bezug auf die Spekulationen mit Nahrungsmitteln konkrete Beschlüsse, die zu einer stärkeren Regulierung und Zurückdrängung der Spekulationen führen, fassen werden.

Wenn man sich die letzten Daten der US-Konjunktur vor Augen hält, scheint die vom Immobiliensektor ausgegangene Bankenkrise nun auf die Gesamtwirtschaft überzugreifen. Wird sich die G8 diesem Thema stellen?

Müsste sie. Wir haben praktisch eine Vierfachkrise des globalen Kapitalismus: eine Klima- und Energiekrise, eine Finanz- und eine Nahrungsmittelkrise. Wenn man das zusammennimmt, fast schon eine apokalyptische Vision. Aus meiner Sicht ist relativ klar, dass sich der Wind in der Weltwirtschaft gedreht hat. Nach Jahren der Euphorie, des Booms und der Selbstzufriedenheit sind wir jetzt an einem Punkt, den die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in ihrem neuen Jahresbericht als Kipppunkt bezeichnet. Die Weltwirtschaft steht also auf der Kippe, und die G8 müssten eigentlich mehr an gemeinsamer wirtschaftspolitischer Koordination auf den Weg bringen. Wahrscheinlich wird aber wieder nach dem Prinzip verfahren, jedes G8-Land macht nach eigenem Gutdünken seine Wirtschaftspolitik, und ein koordiniertes Vorgehen - zum Beispiel in Fragen der Zinssätze - findet nicht statt.

Müsste die sich abzeichnende Krise nicht zu einer Rückbesinnung auf eine Regulierung des Weltwährungssystems à la Bretton Woods führen?

Ja. Es gibt schon länger Plädoyers für ein erneuertes Bretton Woods, ohne das alte komplett zu kopieren. Aber das ist in der gegenwärtigen Konstellation nicht durchsetzbar, wenngleich der objektive Problemdruck dahin zunimmt.

Auch die Gewichte in der Weltwirtschaft haben sich in den letzten Jahren deutlich verschoben. China ist schon die viertgrößte Wirtschaft der Welt, und Indien und Brasilien holen mächtig auf. Inwiefern besteht bei der G8 wachsende Bereitschaft, die Schwellenländer einzubeziehen?

Die Absicht ist, die Schwellenländer in eine von der G8 bestimmte Agenda einzubeziehen. Das ist der entscheidende Punkt. Die sog. Outreach-5-Gespräche mit der G5 (Südafrika, Indien, Brasilien, Mexiko, China) werden wie in Heiligendamm auch in Japan wieder stattfinden. Doch die Tagesordnung bestimmt im Wesentlichen die G8. Das ist von den G5 durchaus kritisch registriert worden. Allzu große Hoffnungen setzt die G5 in diesen Dialog nicht. Interessant ist aber, dass die G5-Staaten diesen Dialog genutzt haben, um sich selber zu koordinieren. Zum Bespiel in Bezug auf ihr Auftreten in anderen Foren wie der Welthandelsorganisation. Aber ein echter Dialog zwischen der G8 und der G5 ist nicht in Sicht. Der jetzige Dialog scheint mir eine Notlösung zu sein, um sich vor einer richtungsweisenden und überfälligen Entscheidung zu drücken: die Öffnung dieses exklusiven Klubs der G8 in ein wesentlich repräsentativeres weltwirtschaftliches Steuerungsgremium. Dafür müsste nicht nur die G5, sondern mindestens alle Mitglieder der G20 gleichberechtigt einbezogen werden. In Sicht ist das nicht.

Fazit: Die Weltwirtschaft steht auf der Kippe und bei der G8 bleibt alles beim Alten.

Das kann man so sagen. Die G8-Staaten sind jedenfalls nicht so aufgestellt, dass sie der dramatischen weltwirtschaftlichen Situation gerecht werden können.

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