Schattenbanken in der Entwicklungsfinanzierung?
92 renommierte Ökonomen aus zahlreichen Ländern haben anlässlich der Jahrestagung
von IWF und Weltbank diese Woche in Bali/Indonesien in einem offenen
Brief davor gewarnt, die Entwicklungs- und Infrastrukturfinanzierung
auf das Schattenbanksystem umzustellen. Unter dem Stichwort „Maximizing finance
for Development“ (MFD) planen die Weltbank und weitere multilaterale
Entwicklungsbanken, in großem Stil, Kredite zu verbriefen, und in nach Risiko
abgestuften Tranchen als handelbare Finanzprodukte an globale Investoren zu
verkaufen. Betroffen sind vor allem Sektoren der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur
wie Transport, Wasser, Energie, Bildung und Gesundheit. Dazu werden
öffentlich-private Partnerschaften (PPPs) aufgesetzt.
Die Ökonomen, darunter renommierte Stimmen wie Kevin
Gallagher (Boston University, Co-Chair der T20 Arbeitsgruppe zu Finanzarchitektur)
und Jayati Ghosh (Jawaharlal Nehru Universität, Delhi), erinnern daran, dass
durch diese Pläne das System der sog. Schattenbanken, die weit weniger strengen
Auflagen wie Banken unterliegen, massiv in den globalen Süden ausgeweitet werde.
Die Verbriefung sei anfällig für Fehlanreize, aggressive Fremdkapitalaufnahme
und für aggressiven Vertrieb der zugrundeliegenden Kredite an Kunden, die sich
diese Kredite nicht leisten können. Sie führe zu systemischer Verflechtung und
Instabilität. Die Weltbank agiere dabei auf Basis der Beschlüsse der G20, die
im Frühjahr eine Roadmap zu Infrastruktur als Anlageprodukt verabschiedet hat.
Grundlage der „Maximizing Finance for Development“-Strategie
sind PPP-Verträge, die standardisiert werden sollen. Die Weltbank hat hierfür
Vertragsmuster vorgelegt, die die renommierte Kanzlei Foley Hoag im Auftrag der
Heinrich-Böll-Stiftung analysiert hat. Diese Analysen zeigen: Die Verträge begünstigen
einseitig Investoren und verschieben Risiken auf die öffentliche Hand. Sie
können zu den aus der TTIP-Debatte bekannten Investorenklagen führen, wenn der
Staat Schritte unternimmt, die die Gewinne der Investoren schmälern. Das kann
zu einer massiven Bremse für die dringend notwendige Klimapolitik führen.
„Die Pläne von G20 und Weltbank sind brandgefährlich“, warnt
Jörg Haas von der Heinrich Böll-Stiftung. „Eben wurde noch der
Wirtschaftsnobelpreis an William Nordhaus vergeben, der für eine Besteuerung
von CO2-Emissionen argumentiert. Doch solche Maßnahmen könnten
zukünftig zu milliardenschweren Investorenklagen führen, wenn Autobahnen oder
Kraftwerke mit PPPs betrieben und über globale Finanzmärkte finanziert werden.
Finanzminister Olaf Scholz und Entwicklungsminister Gerd Müller müssen ihren
Einfluss in der Weltbank und der G20 nutzen, um diese gefährlichen Pläne zu
korrigieren!“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen