28. Mai 2015

Griechenland vor der Pleite: Der IWF als Hardliner

Sind die Hardliner zurück im Internationalen Währungsfonds oder waren sie niemals weg? Jedenfalls hat der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) soeben eine Breitseite gegen den Fonds wegen seiner Hardlinerposition in Sachen Griechenland abgeschossen. Seit Monaten hängen die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und der Gläubiger-Troika aus EU, EZB und IWF jetzt fest, weil sich Athen zu Recht weigert, drei rote Linien zu überschreiten: noch mehr Reform, d.h. Kürzungen der Renten, die weitere Liberalisierung, sprich: Deregulierung des Arbeitsmarktes, einschließlich des Abbaus von Arbeitnehmerrechten, und die Erhöhung der Mehrwertsteuern, also der Massensteuern par excellence. In seiner Attacke greift der ITUC vor allem die Forderung nach einer Beseitigung von Arbeiterrechten und nach weiteren Rentenkürzungen an. Seiner Mitgliedsorganisation GSEE sichert der Dachverband seine volle Unterstützung zu.


Die Zuspitzung kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kombination aus unvernünftiger Austeritätspolitik und Deregulierung das Land schon Anfang Juni zwingen könnten, sich gegenüber dem IWF für zahlungsunfähig zu erklären. Dann wird sich die Regierung in Athen nämlich entscheiden müssen zwischen der Aufrechterhaltung lebenswichtiger öffentlicher Dienstleistungen und der Auszahlung der Renten einerseits und der Kreditrückzahlung an internationale Gläubiger, die weitestgehend verantwortlich sind für die derzeitige Misere, andererseits. Der ITUC findet es „inakzeptabel, dass der IWF eine Hardlinerposition innerhalb der Troika bzw. der ‚Brüsseler Gruppe‘ bezogen hat und die EU-Gläubiger dazu drängt, keine Kreditauszahlung zu machen, ohne dass Griechenland die Renten auf ein Basisniveau von 360 € pro Monat – unter das Existenzminimum – kürzt. Bei einer Arbeitslosigkeitsrate von  über einem Viertel ist ein großer Teil der Haushalte auf die Renten als die einzigen stabilen Einkommen angewiesen und wird weiter in die Armut gedrängt, wenn sie gekürzt werden.

Ein Dorn im Auge ist dem ITUC auch der geforderte weitere Abbau der Arbeitnehmerrechte in Griechenland. Die vom IWF offensichtlich intendierte Abschaffung der Kollektivrechte „wird nichts zur Wiederbelebung der Wirtschaft beitragen, sondern zu einem nochmaligen sprunghaften Anstieg der Ungleichheit führen“, warnt ITUC-Generalsekretärin Burrow. Der IWF sollte lieber den Ergebnissen seiner eigenen Forschung zum Thema Ungleichheit folgen, die in letzter Zeit gelegentlich recht kritisch ausfielen. Die ITUC-Spitze erinnert daran, dass der IWF im Zusammenhang mit dem ersten Kreditabkommen vom Mai 2010 vorausgesagt hat, das Programm würde innerhalb von zwei Jahren zur Wiederherstellung des Wachstum führen, die Arbeitslosigkeit auf 15% und die öffentliche Verschuldung auf unter 150% des BIP zurückführen. Seit 2012 überschreitet die Arbeitslosigkeit jedoch 25%, und die Verschuldungsrate liegt bei 180%. Den Fonds ficht dies jedoch nicht an, ist die IWF-Chefin Christine Lagarde doch schon gleich nach dem Interimsabkommen vom Februar d.J. mit einem Brief an die beiden anderen Teilnehmer der Troika vorgeprescht, in dem sie moniert, dass diese gegenüber Athen nicht genug an Deregulierung und Austerität durchgesetzt hätten.

22. Mai 2015

TPPA-Verhandlungen vor dem Aus?

Was zum Endspiel in den Verhandlungen um ein Transpazifisches Partnerschaftsabkommen (TPPA) werden sollte, wird möglicherweise zum Anfang vom Ende des TPPA selbst. Jedenfalls besagen Gerüchte, dass das für den 24.-26. Mai auf Guam anberaumte Ministerial der TPPA-Staaten abgesagt wird. Wie japanische Medien berichten, wird das Treffen nicht stattfinden, weshalb die Regierung entsprechende Reservierungen storniert hätte. Das TPPA ist das pazifische Gegenstück zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP, über das zwischen den USA und Europa verhandelt wird. Beteiligt sind an den TPPA-Verhandlungen neben den USA Japan, Australien, Brunei, Kanada, Chile, Malaysia, Mexico, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam – ausgeschlossen ist China.


Wenngleich für die Absage des Guam-Ministerials noch keine offizielle Bestätigung vorliegt, gestalten sich die TPPA-Verhandlungen zunehmend schwierig. Neben Widerständen gegen die von den USA auch dort angestrebten Investitionsschutzregelungen (Investor-Staat-Verfahren, private Schiedsgerichte) sind die Verhandlungen vor allem über Interessengegensätze zwischen den USA und Japan in den Bereichen Landwirtschaft und Automobilindustrie ins Stocken geraten. Darüber hinaus haben mehrere Regierungen in den letzten Monaten deutlich gemacht, dass sie zu keinen handelspolitischen Zugeständnissen bereit sind, solange Obama über kein Fast-Track-Mandat für die Verhandlungen verfügt.

Die ständige Verzögerung der Fast-Track-Gesetzgebung im US-Kongress signalisiert vor allem Zweifel des Weißen Hauses, die notwendige Mehrheit im Kongress zu bekommen. Die große Mehrheit der Demokraten und auch etliche Republikaner sind nach wie vor dagegen, dem Präsidenten Verhandlungsvollmachten einzuräumen, die später nur noch ein pauschales Ja oder Nein zum TPPA erlauben. Auf der anderen Seite erklärte der japanische Wirtschaftsminister Akira Amari noch vor kurzem, ohne Fast-Track sei es „extrem schwierig“, das Ministerial in Guam wie geplant durchzuführen. Es könnte also sein, dass das TPPA wie frühere Freihandelsprojekte (siehe MAI) zu allererst an inneren Widersprüchen zwischen den großen Industrieländern scheitert – eine Perspektive, die sich durchaus auch für TTIP vorstellen lässt.

15. Mai 2015

TTIP/TPP: Geheime Machtergreifung durch die Konzerne?

Von Joseph Stiglitz*)

Die Vereinigten Staaten und die Welt führen derzeit eine große Debatte über neue Handelsvereinbarungen. Derartige Verträge wurden früher als „Freihandelsabkommen“ bezeichnet; tatsächlich waren es gelenkte Handelsvereinbarungen, die auf die Interessen der Konzerne vor allem in den USA und der Europäischen Union zugeschnitten waren. Heute werden derartige Vereinbarungen häufig als „Partnerschaften“ bezeichnet – wie etwa im Falle der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP). Doch es sind keine gleichberechtigten Partnerschaften: Faktisch diktieren die USA die Bedingungen. Zum Glück leisten Amerikas „Partner“ zunehmend Widerstand.


Es ist unschwer erkennbar, warum. Diese Übereinkommen reichen deutlich über den Handel hinaus; sie regeln auch Investitionen und geistiges Eigentum und zwingen den Rechts-, Justiz- und Regulierungssystemen der beteiligten Länder grundlegende Änderungen auf – und zwar ohne Einfluss oder Rechenschaftspflicht demokratischer Institutionen.

Der vielleicht unfairste – und unehrlichste – Bestandteil derartiger Übereinkommen betrifft den Investorenschutz…

… die Fortsetzung und den vollständigen Kommentar finden Sie >>> hier.

*) Joseph Stiglitz ist Nobelpreisträger für Ökonomie und lehrt an der Columbia University.

12. Mai 2015

Luxemburgs EU-Präsidentschaft im Schatten von LuxLeaks

Zeichen für einen Kurswechsel im Sinne von mehr Transparenz und fairer Besteuerung von Konzernen sowie einen effektiven Schutz vor Verfolgung für Whistlebower und Journalisten verlangen über 40 internationale NGOs im Vorfeld der Luxemburger EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2015. In einem Offenen Brief an die Luxemburger Regierung argumentieren sie, das die beiden derzeit in Luxemburg gerichtlich verfolgten Whisteblower und ein Journalist, die maßgeblich an der Aufdeckung des LuxLeaks-Skandals beteiligt waren, im öffentlichen Interesse handelten. Die durch LuxLeaks an die Öffentlichkeit gelangten Informationen hätten niemals der Geheimhaltung unterliegen dürfen, da die Öffentlichkeit in Industrie- wie Entwicklungsländern ein Recht darauf habe zu wissen, wie viel bzw. wie wenig Steuern Multinationale Konzerne bezahlen.

In den LuxLeaks wurden geheime „Sweetheart Tax Deals“ zwischen den Luxemburger Behörden und hunderten von Multinationalen Konzernen enthüllt, die den letzteren erlaubten, ihre Steuersätze auf ein extrem niedriges Niveau zu drücken, in mehreren Fällen auf unter 1%. Auch nach Auffassung der neuen Luxemburger Regierung sind solche Deals völlig legal. Doch hat die damit ermöglichte Steuervermeidung gravierende Auswirkungen für Bürger und Gesellschaften Industrie- und Entwicklungsländern. Denn sie entzieht den Gesellschaften Steuereinnahmen, die sie dringend bräuchten, um Armut zu bekämpfen, die Umwelt zu schützen und öffentliche Grunddienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Bildung zu finanzieren. Nach einer neueren UNCTAD-Schätzung verlieren allein die Entwicklungsländer jährlich rund 100 Mrd. Dollar durch die geschickte Nutzung von Tochtergesellschaften durch die Multis in Steueroasen.

In der Tat wäre es ein Signal der Glaubwürdigkeit, wenn Luxemburg seine EU-Präsidentschaft mit einen deutlichen Kurswechsel in dieser Frage verbinden würde. Während der letzten luxemburgischen Präsidentschaft 2005 hat sich das Großherzogtum international beachtete Verdienste dadurch erworben, die EU-Länder zu einem klaren Zeitplan zur Realisierung des 0,7%-Ziels in der Entwicklungshilfe zu bewegen. Die eigenen Leistungen auf diesem Gebiet haben in den letzten Jahren so manche zweifelhaften Praktiken auf dem Finanzplatz überstrahlt. Seit den LuxLeaks wird dieses Spiel nicht mehr aufgehen. Denn wie schrieb schon Jean-Claude Juncker im Vorwort zur ersten Auflage von Jean Feyders „Mordshunger“: „Immer wieder müssen wir feststellen, dass das, was mit der rechten Hand gegeben wurde, mit der linken doppelt und dreifach wieder genommen wurde…“