14. April 2014

IWF/Weltbank-Tagung: Weltwirtschaft in der Normalisierung?

Nichts beseelte diese Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank am Wochenende so sehr wie der Wunsch, die Krise endlich hinter sich zu lassen. Den Auftakt machte ausgerechnet die Kassandra-Ruferin der letzten Jahre, die Geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde. Nach der Großen Rezession sei die Weltwirtschaft jetzt am Wendepunkt angelangt. Das Schlimmste sei vorüber, sekundierten andere. Und fast schon allgegenwärtig war die Rede von dem „New Normal“, der „neuen Normalität“, in die die weltwirtschaftliche Entwicklung jetzt eintrete.

Tatsächlich hat der IWF in seinem neuen WorldEconomic Outlook die Wahrscheinlichkeit eines neuen globalen Abschwungs fast auf null reduziert. Während er die Wahrscheinlichkeit einer neuen Rezession im letzten Oktober noch auf 6% bezifferte, schätzte er dieses Risiko jetzt auf gerademal 0,1%.  Dabei speist sich die Hoffnung vor allem aus einer gewissen Stabilisierung und keineswegs aus einem kräftigen Aufschwung. Die Prognosen des IWF haben sich im Vergleich zum letzten Oktober oder zum Jahresanfang nämlich kaum verändert. Im globalen Durchschnitt soll es 2014 ein Wachstum von 3,6% geben, in den Industrieländern wird mit durchschnittlich 2,2% gerechnet (USA: 2,8%; Eurozone: 1,2%; Japan: 1,4%), in den Schwellen- und Entwicklungsländern mit durchschnittlich 4,9%, dabei in China immerhin noch 7,5 und in Indien 5,4%. Lateinamerika dürfte eine Abkühlung auf 2,5% verzeichnen, während Subsahara-Afrika mit 5,4% nach wie vor erstaunlich stark liegt.

Die Rede von der „neuen Normalität“ der Weltwirtschaft verweist jedoch auch darauf, dass wir es nicht einfach mit einer Rückkehr zur Situation von vor dem Ausbruch der Finanzkrise zu tun haben. Zum guten Ton gehört deshalb, dass die Risiken für die Weltkonjunktur immer gleich mitgedacht bzw. mit artikuliert werden. Dabei ist eine gewisse Risikoverlagerung auffallend. Als wichtigste Risiken gelten jetzt eine zu niedrige Inflation (von Deflationsgefahr wird weniger gesprochen), eine erhöhte Marktvolatilität, z.B. in Form einer Umkehr der Kapitalströme in die bzw. aus den Schwellenländern, und neue geopolitische Spannungen, wie um die Ukraine, die die Energieversorgung vor empfindliche Herausforderungen stellen könnten. Kaum einer hat in Washington den Hinweis darauf vergessen, dass das Wachstum der Weltwirtschaft nach wie vor unter seinem Potential verläuft und sehr ungleich verteilt ist. Die IWF-Chefin warnt sogar davor, dass die Weltwirtschaft mittelfristig in die „Falle eines niedrigen Wachstums“ tappen könnte.

Wie dem auch sei – alle Welt betont, dass vieles von der Politik und ihrer effektiveren Koordination auf internationaler Ebene abhängt. Blickt man jedoch da genauer hin, dann ist das einzige, was sich bislang abzeichnet, das vage Versprechen der G20, der Weltwirtschaft in den nächsten fünf Jahren ein zusätzliches Wachstum von 2% bescheren zu wollen. Das wäre zwar eine gänzlich andere Situation im Vergleich zu heute, wie man da hin kommen soll, ist jedoch weniger erkennbar. Und so könnte es sehr wohl sein, dass diese Frühjahrstagung sich im Nachhinein als neuer Moment von Dr. Jekyll und Mr. Hide erweist, wie die Financial Times heute schreibt. Will sagen, dass sich die strahlenden Aussichten von heute schon bald zu einer neuen Krise wandeln könnten. Denn ohnehin gilt ja: Auf jede Krise folgt irgendwann ein Aufschwung und umgekehrt.


Keine Kommentare: