Finanztransaktionssteuer: Der Durchbruch?
Das könnte der Durchbruch sein. Heute Nacht haben sich die Finanzminister der Eurozone für die Einführung einer Besteuerung von Finanztransaktionen ausgesprochen. Sie wollen den Druck auf Großbritannien und die USA für eine solche Finanztransaktionssteuer (FTT) erhöhen und – sollte das nichts fruchten – die Steuer notfalls zunächst auch nur in der Eurozone einführen. „Wir können uns nicht immer nur hinter den Amerikanern verstecken“, sagte der Vorsitzende der Eurogruppe, der Luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. Das ist das Szenario, auf das die Anhänger der FTT immer gesetzt haben und bis heute setzen.
Noch gestern war auf einem Bundestagshearing über die in mehreren Anträgen geforderte FTT (17/527, 17/518, 17/471, 17/1422) heftig gestritten worden. So erklärte der Münchener Professor Christoph Kaserer, er lehne diese Steuer ab, da sie die Preisbildungseffizienzen der Märkte reduzieren würde. Vertreter der Finanzbranche arbeiteten mit ähnlich aufgewärmten Argumenten. Die Deutsche Bundesbank teilte mit, die Steuer sei grundsätzlich geeignet, Transaktionen zu verteuern und damit deren Häufigkeit zu reduzieren. Es seien jedoch nicht nur spekulative Geschäfte, sondern auch Anlagen von Versicherungen und Investmentfonds betroffen. Falls eine globale Umsetzung nicht gelinge, sei von Ausweichreaktionen der Marktteilnehmer auszugehen. Die „Gruppe Deutsche Börse“ ergänzte, die Steuer würde Anreize schaffen, noch stärker als bisher in die Nischen auszuweichen, die von der Steuer nicht erfasst seien. Die Deutsche Bank Research sah im Gegensatz zur FTT eine Bankenabgabe als das geeignetere Mittel an. Damit werde Kapital geschaffen, um die Abwicklung systemischer Institute zu ermöglichen. Der Bankenverband zeigte ebenfalls Sympathien für die Bankenabgabe. Der Verband der Pfandbriefbanken sah erhebliche Probleme bei der Finanztransaktionssteuer.
Anders die Befürworter: Marit Schratzensteller-Altzinger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschungen bezeichnete die Finanztransaktionssteuer als „unseren Favoriten“. Bei einem Steuersatz von 0,01% je Transaktion werde sie europaweit 80 Mrd. € einbringen, davon in Deutschland 12 Mrd. €. Die Steuer habe ein viel höheres Aufkommen als die von der Bundesregierung erwogene Bankenabgabe und habe Stabilisierungswirkungen gegen die kurzfristige Spekulation, was bei der Bankenabgabe nicht der Fall sei. Bei der Bankenabgabe sah Schratzensteller-Altzinger das Problem, dass sie wegen ihrer Versicherungswirkung (das Aufkommen soll in einen Fonds zur Bewältigung künftiger Krisen fließen) die Risikobereitschaft der Banken sogar noch erhöhe.
Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken befürworteten die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Eine Bankenabgabe werde sie als Kreditgeber des Mittelstands stärker treffen als die Finanztransaktionssteuer, betonten sie. Auch Max Otte von der Fachhochschule Worms wies auf die Belastung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch die Bankenabgabe hin. Dagegen habe die Finanztransaktionsteuer die gewünschte Lenkungswirkung. Je langfristiger angelegt werde, desto geringer falle die Belastung aus, sagte Otte. Rudolf Hickel von der Universität Bremen wies Befürchtungen zurück, Kleinsparer könnten durch eine Finanztransaktionsteuer übermäßig belastet werden. Es gehe allein darum, die kurzfristige Spekulation durch die Steuer zu verteuern. Die Bankenabgabe lehnte Hickel mit dem Hinweis ab, sie bestrafe genau diejenigen Institute, die sich in der letzten Krise ordentlich verhalten hätten.
Die österreichische Wirtschaftskammer bezeichnete die FTT als fair, weil sie langfristiges Investment schone und kurzfristiges belaste. Wichtig sei auch, mit den Erträgen die Haushalte zu sanieren. „Wir sind doch alle in Richtung Griechenland unterwegs – mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten“, sagte ein Sprecher der Kammer in der Anhörung. Der per Video zugeschaltete österreichische Finanzstaatssekretär Andreas Schieder erklärte, ein Signal des Bundestages für die Steuer könnte „den Durchbruch in dieser wichtigen Frage bedeuten“. Jetzt kamen ihm die Finanzminister der Eurozone zuvor. Einen solchen Wettbewerb lobe ich mir.
>>> Bankenabgabe versus Finanztransaktionssteuer
>>> Stellungnahmen zum Bundestagshearing
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