28. August 2009

Nestbeschmutzer aller Länder...

Als „Nestbeschmutzer“ werden in Ländern wie der Schweiz und Luxemburg oft die Kritiker des eigenen Finanzplatzes verunglimpft. Dieses Schicksal hat nun auch den Chef der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA, Lord Turner, ereilt, nachdem er sich gestern als Anhänger der Tobin Tax geoutet und Fragen nach der gesellschaftlichen Nützlichkeit des „aufgeblähten“ Londoner Finanzplatzes gestellt hatte (>>> Paukenschlag aus London). Sofort prasselte die geharnischte Kritik von Bankern, Industriellen und Politikern auf ihn hernieder: Turner untergrabe die führende Rolle des Finanzzentrums London in der Welt.

Es ist das alte Lied, das immer dann angestimmt wird, wenn die Finanzindustrie in die Kritik gerät. Londons Bürgermeister Boris Johnson erregte sich, wie jemand sagen könne, die Verteidigung der internationalen Konkurrenzfähigkeit gehöre nicht zu den Hauptaufgaben einer Regulierungsbehörde wie der FSA. Der „Chairman of policy“ der City of London, Stuart Fraser, sagte, Turner spiele den rivalisierenden Finanzmetropolen wie Frankfurt oder Paris in die Hände: „Anderen Zentren würde es sehr gefallen, Geschäftsfelder von London zu haben. Wenn wir uns selbst ans Bein treten, wären sie entzückt, diese Geschäfte übernehmen zu können.“

Die vermeintlichen Finanzplatz-Patrioten aller Länder sind immer dann am aufgebrachtesten, wenn die Kritik von innen kommt. Diese Erfahrung machte vor Jahrzehnten schon Jean Ziegler, als er die Rolle der Schweiz als finanzielle Fluchtburg für allerlei Diktatoren an die Öffentlichkeit brachte. Und diese Erfahrung machen derzeit die Luxemburger NGOs, die kürzlich meine Studie „Der Fall Luxemburg. Fragen aus entwicklungspolitischer Sicht“ veröffentlicht haben. Hätte ich diesen Text in irgendeiner Zeitschrift veröffentlicht, hätte wahrscheinlich kein Hahn danach gekräht. Dass aber der Dachverband der Luxemburger NGOs der Herausgeber war, rief sofort die geballte Abwehr der Finanzplatzakteure hervor (>>> Politischer Sturm im Sommerloch).

Wie gut ist es da doch, dass unkonventionelle Denkanstöße immer andere Querdenker-Stimmen nach sich ziehen. So sagte der finanzpolitische Sprecher der Liberalen Demokraten, Turner habe Recht, dass die City schrumpfen müsse, und die Rede von der Verteidigung der Wettbewerbsfähigkeit sei nichts als eine Entschuldigung für „Business as usual“. Die eloquente Kolumnistin der Financial Times, Gillian Tett, schrieb, Turner müsse dafür gelobt werden, „das Undenkbare gedacht“ zu haben. Und Jean Rhein vom Luxemburger Quotidien kommentierte: „Es ist niemals zu spät, und selbst im Großherzogtum verliert man da nicht die Hoffnung, dass der Finanzsektor eines Tages von den Notwendigkeiten einer nachhaltigen Entwicklung durchgerüttelt wird.“

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