Globaler Wirtschaftsrat im Mahlstrom des Mainstreams
Wenn alternative Vorschläge zum Mainstream werden, kann dies als Indikator für politischen Wandel verbucht werden. Es ist aber auch möglich, dass der Forderung in diesem Prozess das entscheidende Veränderungspotential genommen wird. Dies lässt sich derzeit an der Forderung nach einem Globalen Wirtschaftsrat studieren, die anscheinend kaum noch umstritten ist. Jüngstes Beispiel: Ein gemeinsamer Kommentar des ehemaligen Unterstaatssekretärs für internationale Angelegenheiten im US-Finanzministerium, Timothy Adams, und des italienischen Exekutivdirektors beim IWF, Arrigo Sadun. Darin schreiben die beiden, es sei höchste Zeit für eine neue internationale Wirtschaftsarchitektur, an deren Spitze ein Globaler Wirtschaftsrat (Gleco) stehen müsse.
Liest man ein wenig weiter, wird klar, dass das neue Aufsichts- und Steuerungsgremium aus der G20 und der G8 heraus entstehen und diese ablösen soll. Da der Gleco über allen internationalen Wirtschaftsinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank stehen würde und seine Zusammensetzung „universell wie bei IWF und Weltbank“ wäre, würde sich nach der Lesart der beiden auch eine Veränderung der Governance-Strukturen der Weltbank und des IWF erübrigen. „One Dollar – One Vote“, wie gehabt, also. Von einer Rolle der Vereinten Nationen ist in diesem Zusammenhang überhaupt nicht die Rede.
In dieser Perspektive erscheint auch das französische Bestreben zur Umgestaltung der G8 in einem anderen Licht. Zwar redet der französische Präsident Sarkozy gern leidenschaftlich gegen die Exklusivität der G8. Bis 2011, wenn Frankreich turnusmäßig wieder die G8-Präsidentschaft inne hätte, will Sarkozy die Erweiterung der G8 in eine G14 (unter Einschluss solcher Länder wie China, Indien, Brasilien, Südafrika und Ägypten) unter Dach und Fach haben – ein Fortschritt gegenüber der alten G8 zwar, aber ein eindeutiger Rückschritt gegenüber der G20.
Unser Lob erhält angesichts solcherlei Halbherzigkeit heute einmal der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy. In einer Rede philosophierte Lamy kürzlich über die gegenwärtige Neukonfiguration von Global Governance. Dabei ging er auf die diversen Vorschläge für einen Globalen Wirtschaftsrat gar nicht ein, sondern schlug ein „Dreieck der Kohärenz“ vor. Dessen Ecken würden gebildet (1) von der G20 als neuem Steuerungszentrum, (2) den einzelnen mit Wirtschafts-, Finanz- und Entwicklungsfragen befassten internationalen Organisationen und (3) der G192, also den Vereinten Nationen, vor denen in Zukunft einmal alle Rechenschaft ablegen müssten.
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