Putzmuntere Rating-Agenturen
Man reibt sich verwundert die Augen: In der letzten Woche hat die Rating-Agentur Standard & Poor’s die Bonitätsgrade von Griechenland, Spanien und Portugal heruntergesetzt und Irland damit gedroht, mit dem Land dasselbe zu tun. Wie bitte? S&P und andere Rating-Agenturen sind offensichtlich wie eh und je dabei, ihre Risikoanalysen zu produzieren und zu verbreiten. Dieselben Agenturen, die uns jahrelang erzählt haben, wir müssten uns wegen der explodierenden Verschuldung von Banken und Konzernen keine Sorgen machen, und dieselben Agenturen, die noch die verrücktesten Finanzinnovationen mit dem Bonitätsstempel versehen haben.
Aufgrund der positiven Bewertung durch die Rating-Agenturen verbilligten sich die Kredite, mit der die Finanzindustrie bis zur jüngsten Krise das Kasino am Laufen hielt. Die Entwicklung endete bekanntlich in einem Fiasko. Heute führt die Herabstufung der Bonitätsgrade für die erwähnten europäischen Länder dazu, dass sich deren Kreditkosten verteuern. Ihre Verschuldung sei zu schnell gestiegen, heißt es. Doch die Verschuldung der USA und Großbritanniens im Zuge der jüngsten Finanzkrise stieg nicht minder schnell. Hier aber hören wir keine Warnungen der Agenturen.
Das Beispiel zeigt: Die Rating-Agenturen liegen nicht nur systematisch falsch mit ihren sog. Expertisen, sie messen – wie übrigens auch der Internationale Währungsfonds (IWF) – mit zweierlei Maß; die Schwergewichte unter den Finanzmächten bleiben ungeschoren, die Schwächeren werden gescholten – mit dem Ergebnis, dass die Steuerzahler der betreffenden Länder mehr Zinsleistungen an die Märkte erbringen müssen. Schädlich für die Allgemeinheit ist im Endeffekt beides. Fragt sich, ob der Schaden durch mehr Kontrolle der Agenturen wesentlich zurückgedrängt oder ganz vermieden werden kann. Oder ob es besser wäre, sie gleich ganz zu verbieten. Letzteres ist wahrscheinlich unrealistisch. Das zeigt sich schon daran, wie gering der öffentliche Widerspruch gegen die erwähnten Verdikte gegen die südlichen Mitgliedsländer der EU ausgefallen ist.
1 Kommentar:
Standard & Poors raten General Electric immer noch mit AAA (http://uk.reuters.com/article/UK_HOTSTOCKS/idUKN2636005020090126).
Europäische Staaten eine niedrige Bonität zuzugestehen als einem US-Konzern, ist der blanke Hohn. Hier wird Politik gemacht - mit wirtschaftlichen Erwägungen hat dies nur noch wenig zu tun.
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