Jubel und Angst: Gemischte Stimmung beim IWF in Washington DC
Ein konjunktureller Optimismus, über den sich Schleier der Unsicherheit und
Furcht legen – so etwa könnte man das Stimmungsgemisch auf der offiziellen
Jahrestagung der Bretton-Woods-Zwillinge beschreiben, die am Wochenende zu Ende
ging. Der neue World Economic Outlook (WEO) mit seinem
Titel „Seeking Sustainable Growth: Short-Term Recovery, Long-Term Challenges” bildet
die Stimmung recht gut ab. Auf der einen Seite kommt schon fast Jubel
auf angesichts der angehobenen Prognosen für die Weltwirtschaft, die für 2017 und
2018 ein globales Wachstum von 3,6% bzw. 3,7% voraussagen – deutlich mehr als
die enttäuschenden 3,2% in 2016 – der niedrigsten Rate seit der großen
Finanzkrise von 2008. Auf der anderen Seite mahnt der Berichts des Fonds die
weitere Verbesserung der Finanzregulierung (ungeachtet von Gerüchten, dass er
der von Trump geplanten Deregulierungsorgie nichts entgegensetzen wird) und des
finanziellen Sicherheitsnetzes an, fordert die Bekämpfung der internationalen
Steuervermeidung, des Hungers, der Infektionskrankheiten und des Klimawandels.
Alles dies weist auf die anhaltenden mittel- und langfristigen Risiken hin,
ganz zu schweigen von dem langen politischen Schatten, der sich mit Trump, dem
Brexit und dem allenthalben anschwellenden Rechtspopulismus über die
Weltwirtschaft gelegt hat. Dies ist wahrlich eine Zeit höchster Unsicherheit.
So bemerkenswert für den IWF-Chefökonomen und Lead-Autoren
des WEO Maurice Obstfeld die Beschleunigung der Weltkonjunktur ist, so
bemerkenswert ist, dass er die Erholung für unvollständig hält, auch innerhalb
der Industrieländer. So kritisiert der Fonds, dass das nominale und reale
Lohnwachstum niedrig bleibt. „Diese Lohnschwäche“, so Obstfeld, „folgt auf
viele Jahre, während der die mittleren Realeinkommen viel langsamer als die
Spitzeneinkommen gewachsen sind oder sogar stagniert haben… Die resultierende
hohe Einkommens- und Vermögensungleichheit trug dazu bei, die politische
Unzufriedenheit zu befeuern und die Skepsis über die Gewinne aus der Globalisierung
zu schüren und setzt damit auch die Erholung aufs Spiel.“
Doch was tut der IWF in der Praxis? Am schwächsten ist er
immer noch in der Fiskalpolitik. Hier finden sich nur zweideutige
Formulierungen, dass einerseits die „Konsolidierung“ der Haushalte fortgesetzt
werden soll, „wo möglich“ aber auch fiskalischer Spielraum für Investitionen
genutzt werden sollte. Die Fiskalpolitik sollte zudem mit den berühmten „Strukturreformen“
verknüpft werden – im Klartext: Die meisten Regierungen sollten Ausgaben kürzen
und das Budget drücken, um die Verschuldung zu reduzieren. Und die „Strukturreformen“
des IWF unterstützen in der Praxis zumeist auch die „Reform“ der Arbeitsgesetze
im Sinne des Abbaus gewerkschaftlicher Verhandlungsmacht, Kürzungen im Gesundheitswesen
und im Rentensystem sowie die Reduzierung öffentlicher Beschäftigung.
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