25. Juni 2017

Gipfelvorbereitungen: Feilschen um Ungleichgewichte statt Handelspolitik

Am Montag letzter Woche gab sich die Kanzlerin auf dem C20 ein Stelldichein mit der Zivilgesellschaft und redete über die Notwendigkeit einer menschlich gestalteten Globalisierung. Am Mittwoch beim Bund der Deutschen Industrie (BDI) wurde sie schon konkreter: Man wolle die G20 auf dem kommenden Gipfel zu einer Stellungnahme zu „offenen Märkten und freiem, fairem, nachhaltigen und inklusiven Handel“ gewinnen. Hinter den Kulissen freilich geht das Gefeilsche weiter, wie die Vorgeschichte zeigt: Seit Trump in den USA im Amt ist, wurde das bislang übliche Bekenntnis gegen Protektionismus jeder Art zu den Akten gelegt. Beim G7-Gipfel in Italien hieß es im Communiqué, man unterstütze „freien, fairen und gegenseitig vorteilhaften Handel und Investitionen, der gleichzeitig reziproke Vorteile bringt“. Beim G20-Finanzministertreffen im März war nur von der "Stärkung des Beitrags des Handels zu unseren Ökonomien“ die Rede. Und bei einem kürzlichen Ministerratstreffen der OECD verzichtete man gleich ganz auf ein gemeinsames Communiqué mit den USA.

Was immer sich hinter derlei Floskeln verbirgt – auf jeden Fall sind es neue Meinungsverschiedenheiten, denn wenn beispielsweise von „fairem Handel“ die Rede ist, meinen längst nicht alle das Gleiche. In einem Punkt bringt sich die Bundesregierung für den G20-Gipfel schon mal eindeutig in Stellung: die Frage der Verantwortung für die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte bzw. die wachsende internationale Kritik an den extrem hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüssen. Die dabei ins Feld geführten Rechtfertigungen, etwa: unsere Produkte seien halt so gut im internationen Vergleich, werden auch durch ständige Wiederholung nicht besser. Wie gerufen kommt da eine neue Broschüre des Weltzukunftsrats (WFC), Schulden und Vermögen: Was unterscheidet eine Volkswirtschaft von einer Einzelwirtschaft? Daraus geht hervor, dass hohe Exporte nur dann nachhaltig sind und zu mehr Wohlstand für alle führen, wenn das verdiente Geld für entsprechende Importe genutzt wird. Nur dann können schädliche Ungleichgewichte verhindert werden.

Die zunehmende internationale Kritik hat in der Tat die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt wie selten zuvor. Die deutsche Verteidigung des eigenen Überschusses liegt in dem einzelwirtschaftlich richtigen Gedanken, dass Überschüsse immer etwas Gutes sind, Defizite dagegen schlecht, argumentiert die Studie. In einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Überschüsse des einen immer den Defiziten, bzw. der Verschuldung, der anderen entsprechen. Der Saldo aller Länder ist immer Null. Demnach kann die Anwendung einzelwirtschaftlich richtiger Regeln auf makroökonomische Probleme zu fatalen wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen führen.

Ähnliches gilt für den rein binnenwirtschaftlichen Geldvermögensaufbau. Erspartes Geld kann nur dann mit Zinserträgen angelegt werden, wenn ein Schuldner mit einem erfolgversprechenden Geschäftsmodell bereitsteht, der das geliehene Geld inklusive der vereinbarten Zinsen zurückzahlen kann. Und fällt der Schuldner aus, weil das Geschäftsmodell nicht so funktioniert, wie erwartet, fällt auch das Vermögen aus. Das Verständnis der saldenmäßigen Zusammenhänge von Finanzströmen ist aber auch für die Finanzierung des globalen Klimaschutzes und der UN Sustainable Development Goals (SDGs) wichtig, weil dazu in den nächsten Jahren erhebliche Gelder von den reichen, industrialisierten Ländern in die Entwicklungsländer transferiert werden müssen.

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