Die 2500 Top-Leute aus Wirtschaft, Regierungen und internationalen Organisation
sowie ein paar ausgewählte Vertreter zivilgesellschaftlichen Organisationen mögen
in Davos, wo das 46. Weltwirtschaftsforum inzwischen voll im Gange ist, ihren
üblichen Geschäften nachgehen und der internationalen Öffentlichkeit glauben
machen, die „Davos-People“ ringen wieder einmal um Lösungen für die globalen
Probleme – die viel beschworenen „Märkte“ beeindruckt dies wenig. Am Mittwoch
stürzten die Aktienwerte an den Weltbörsen erneut ab und der Ölpreis sank auf
einen neuen Rekord-Tiefstwert. Gestern und heute zogen die Indices wieder etwas
an, aber das dürfte kaum etwas daran ändern, dass sich inzwischen alle Börsen im
Bärenmodus befinden.
Die Entwicklung an den Börsen taugt allenfalls als gewisser
Indikator für die zukünftige Entwicklung der Realwirtschaft. Aber diese bewegt
sich schon heute nur mit mäßiger Geschwindigkeit. Der IWF kam in dieser Woche
mit seinen neuesten, nach unten korrigierten Prognosen für die Weltwirtschaft
nach Davos: Auf geschätzte 3,1% des Wachstums in 2015 sollen 3,4% in 2016 und
3,6% in 2017 folgen, wobei besonders die Verlangsamung in den Schwellenländern
allgemein Sorgen bereitet. Doch auch hier ergibt sich ein unterschiedliches
Bild. Während Brasilien und Russland in einer Rezession stecken, liegt Indiens
Wachstum derzeit bei über 7%. Und China gab gestern für 2015 ein Wachstum von
6,9% bekannt. Letzteres beunruhigt einerseits die „Märkte“, andererseits verweisen
chinesische Politiker und Geschäftsleute in Davos darauf, dass dies angesichts
des chinesischen Übergangs zu einem neuen Wachstumsmodell ganz im Rahmen des „new
normal“ liege und nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass der Beitrag Chinas
zum globalen Wachstum auch mit diesem Wert nach wie vor hoch liegt, nämlich bei
einem Drittel.
Viele der Davos People sind inzwischen der Diskussion über Krise und
neue Regulierungen überdrüssig und haben im Motto des diesjährigen Forums („Die
4. Industrielle Revolution“) ein neues Lieblingsthema gefunden, in dem sie
schwelgen können: die Technologie. Diese neue „Revolution“ mag unter dem Strich
5 Mio. Arbeitsplätze kosten – dabei soll aber immerhin bis 2025 eine „digitale
Dividende“ von 100 Billionen Dollar herausspringen, wie eine vom WEF vorlegte Studie nachweisen will. Statt über
finanzielle Regulierungen und Basel III spricht man in Davos lieber von neuen
Finanztechnologien („fintech“), wobei insbesondere von Blockchain-Technologien,
die aus dem Bitcoin-Zusammenhang geboren wurden, wahre Wunder erwartet werden. Kritische
Beobachter, wozu in diesem Fall auch die Financial Times gehört, weisen in
diesem Zusammenhang jedoch auch auf so mancherlei Illusionen hin: So schreibt
die FT-Kolumnistin Gillian Tett,
dass das Internet vielen Leute den Eindruck vermittele, sie hätten hier ein
neues Instrument der Mitsprache und des Empowerment. In Wirklichkeit hätte die
sog. Elite in den meisten Ländern die Macht nach wie vor fest in der Hand.