28. August 2015

Ukraine: Schuldenschnitt mit geopolitischem Anstrich

Wetten, dass die Ukraine jenen Schuldenschnitt bekommt, den man Griechenland bislang verweigerte, wollte ich vor ein paar Tagen noch schreiben. Gestern hat sich nun ein Konsortium der größten Privatgläubiger der Ukraine, darunter Franklin Templeton, mit der Regierung in Kiew darauf geeinigt, unverzüglich 20% der ausstehenden 18 Mrd. Dollar Anleihen abzuschreiben (das sind 3,6 Mrd. Dollar). Der Deal enthält auch die Aussetzung der Schuldenrückzahlungen für vier Jahre und eine Bestimmung, wonach die Gläubiger ab 2021 einen Anteil am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts erhalten: 40% des Wertes des jährlichen Wachstums über 4%. Trotz des unmittelbaren Forderungsverzichts könnte die Übereinkunft für die Gläubiger also langfristig auch von Vorteil sein.


Doch dies ist nicht der Hauptaspekt des jetzt vorliegenden Ergebnisses von fünfmonatigen intensiven Verhandlungen, in die auch Fondsmanager George Soros intervenierte: „Die Ukraine verdient Schuldenerleichterung.“ Der Deal ist eine entscheidende Voraussetzung für die Fortsetzung des vierjährigen IWF-Programms, in dessen Verlauf das Land rund 40 Mrd. Dollar erhält. Entsprechend umgehend hat auch IWF-Chefin Christine Lagarde die Einigung begrüßt; sie trage dazu bei, die Schuldentragfähigkeit des Landes wiederherzustellen und – zusammen mit den Reformanstrengungen der Regierung – die Ziele, d.h. die Konditionen des IWF-Programms zu erfüllen.

Zwar hatte die Regierung in Kiew einen Schuldennachlass von 40% gefordert und der IWF vor noch nicht allzu langer Zeit eine Reduzierung der Privatschulden um 15 Mrd. € für notwendig erachtet, um ein tragfähiges Schuldenniveau zu erreichen. Auch bleiben die internationalen Transferleistungen insgesamt deutlich unter dem griechischen Niveau. Aber im Vergleich zu Griechenland ist der springende Punkt geopolitischer Natur: Ein Regime mit einem Schokoladenoligarchen und einem Lakaien des IWF an der Spitze (Präsident Poroshenko und Premierminister Jazenjuk), einem Sicherheitsapparat, der fast vollständig in der Hand des Rechten Sektors ist, und einer Finanzministerin von der Wallstreet ist eben verlässlicher als eine linke Regierung mit einem links-keynesianischen Finanzminister wie in Griechenland.

Auch wenn der westliche Druck groß ist – in trockenen Tüchern ist der Ukraine-Deal freilich noch nicht: Zum einen macht Russland, das Anleihen in Höhe von 3 Mrd. Dollar hält, die im kommenden Dezember fällig werden, nicht mit (und wird sich wohl auch nicht zu der Hilfsaktion für den östlichen Außenposten des Westens überreden lassen). Zum anderen ist auch noch nicht klar, wie viele „Holdouts“ es geben wird: Das sind solche Gläubiger, die sich weigern einem Schuldenschnitt zuzustimmen, in der Hoffnung, dann später doch die kompletten Außenstände einklagen zu können (s. Argentinien). An „wirtschaftlicher Feuerkraft“, so kommentiert die Financial Times heute, sollte es dem Westen gegen Russland jedoch nicht fehlen.

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