Green Growth: Mantra gegen den Klimawandel?
Ist "grünes Wachstum", gestützt auf einen Schub an Material-, Ressourcen-
und Energieeffizienz, auf den Strukturwandel hin zur Dienstleistungsökonomie
und auf einen Wechsel im Energiemix zugunsten erneuerbarer Energien, das qualitativ
neue Wachstumsparadigma und damit auch das entscheidende Instrument im Kampf
gegen den Klimawandel? Grünes Wachstum mag neue Wachstumsimpulse schaffen, die
die Umwelt weniger belasten und den entsprechenden technologischen und
strukturellen Wandel erleichtern. Dies bedeutet aber noch nicht, dass es auch
den Klimawandel in dem erforderlichen Ausmaß verringern kann (d.h. einen
deutlichen, absoluten und permanenten Rückgang der Treibhausgas-Emissionen auf
globaler Ebene erzeugen), und dies in der angemessenen Geschwindigkeit (d.h. in
weniger als zwei bis drei Dekaden).
Diesen Fragen geht Ulrich Hoffmann, Chefökonom des
Schweizer Research Institute on Organic Agriculture (FiBL) und ehemaliger
Berater bei der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), in einem
neuen Papier, Can Green Growth Really Work und What are the True (Socio-) Economics of Climate Change?, nach.
Hoffmann argumentiert, dass Wachstum, technologische, bevölkerungsdynamische
und Governance-Zwänge, wie auch einige zentrale systemische Fragen, einen
langen Schatten auf die in „grünes Wachstum“ gesetzten Hoffnungen werfen. Man
sollte sich nicht in dem Glauben täuschen lassen, dass ein solcher
evolutionärer (und oft reduktionistischer) Ansatz ausreichend sein wird, um der
Komplexität des Klimawandels zu begegnen. Er könnte vielmehr falsche Hoffnungen
und Entschuldigungen verstärken, nichts wirklich Grundlegendes zu tun, das zu
einer Kehrtwende bei den globalen Treibhausgas-Emissionen führen könnte.
Die Vertreter einer Effizienzrevolution beim
Ressourcenverbrauch, einer Restrukturierung der Wirtschaft und eines
drastischen Wandels beim Energiemix sollten, so das lesenswerte Papier, insbesondere
die historische Evidenz der Arithmetik des Wirtschafts- und
Bevölkerungswachstums genau prüfen. Auch müssten sie realisieren, dass die
erforderliche Transformation weit über Innovation und Strukturwandel hinaus
geht und eine bessere Verteilung von Reichtum und Einkommen, eine Begrenzung
der Machtmachte wirtschaftlicher Akteure, die einseitige Ansätze der Treibhausgas-Reduktion
propagieren, und eine Kultur der Genügsamkeit einschließt. Der Klimawandel
stelle die globale Chancengleichheit auf Wohlstand (d.h. die ökologische
Gerechtigkeit und die entwicklungspolitischen Spielräume) in Frage und ist
daher auch eine enorme entwicklungspolitische Herausforderung für alle Länder,
vor allem für den Globalen Süden, und für manche Entwicklungsländer eine Frage
von Leben und Tod.