Aufschwung mit Ungleichgewichten
Das Ende der Sommerpause fällt zusammen mit dem dritten Jahrestag der globalen Finanzkrise, die als Suprime-Krise begann und in die tiefste Rezession seit Ende des 2. Weltkrieges mündete. Doch im Lichte zentraler Wirtschaftsdaten sieht es schon wieder so aus, als hätte es weder die Finanzkrise noch die Große Rezession gegeben. Seit einem Jahr sind jetzt Zeichen einer globalen Erholung unübersehbar. Der Welthandel ist inzwischen wieder auf seinem Vorkrisenniveau angelangt, wie die UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheit (DESA) in ihrem neuesten Monatsbriefing berichtet. Dabei wird das Tempo der Erholung eindeutig von den Schwellen- und anderen Entwicklungsländern, vor allem von China und Südostasien, angeführt und getrieben.
Auch die wirtschaftliche Entwicklung in anderen Regionen stützt dieses Bild: In Südamerika gilt die Krise als eine Episode der Vergangenheit, wie W&E-Autor Joachim Becker aus Montevideo berichtet. In Afrika haben viele große Ökonomien ihr Vorkrisentempo wieder erreicht. Die südafrikanische Regierung rechnet für 2010 allein aufgrund der Fußballweltmeisterschaft mit einem Prozentpunkt zusätzlichen Wachstums. Und selbst in den Industrieländern, wo die Angst von einem erneuten Rückfall in die Rezession („double-dip“) immer wieder aufkeimt, gibt es Lichtblicke, gelegentlich allerdings ambivalenter Natur: Die deutsche Kanzlerin fühlt sich angesichts des deutschen Rekordwachstums im 2. Quartal (2,2% gegenüber dem 1. Quartal) wieder einmal obenauf. Doch das Faktum bleibt bestehen, dass dieses Wachstum vor allem über den Export – und damit über die Aneignung fremder Kaufkraft – erzielt wird. Als einer wenigen stimmt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger nicht in den Jubel ein und spricht von einem „Zwischenhoch“.
Eine Kehrseite der neuen Wachstumseuphorie ist: Mit dem Prozess der wirtschaftlichen Erholung bauen sich auch die sog. globalen Ungleichgewichte wieder auf: In den USA erreicht das Doppeldefizit (Haushalt und Zahlungsbilanz) bereits wieder neue Höhen. In Europa ist die insgesamt schwache Konjunktur zweigeteilt: Einigen Frontrunnern wie Deutschland stehen Negativbeispiele im Osten und im Süden gegenüber. Der Aufschwung ist also voller Ungleichgewichte. Und die jüngsten Wirtschaftsdaten aus Griechenland zeigen, wie wenig die Konzepte des EU/IWF-Krisenmanagements aufgehen. Da lobt der IWF die Sparpolitik Griechenlands, und tagsdrauf wundert sich alle Welt, dass die Negativentwicklung der griechischen Wirtschaft immer noch nicht gestoppt ist. „Rebalancing the world economy“, wie es die G20 proklamiert haben, sieht anders aus.
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