1. Juli 2011

Schweres Erbe: Von Strauss-Kahn zu Lagarde

Am kommenden Dienstag, den 5. Juli, tritt Christine Lagarde ihr neues Amt als Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds an. In diesem Blog habe ich keinen Hehl daraus gemacht, dass ich sie unter den gegebenen Umständen für die beste Kandidatin hielt (>>> Warum ich unter diesen Bedingungen für Madame Lagarde bin). Sie übernimmt das Zepter von Dominique Strauss-Kahn, der sich in seiner Amtszeit als „Reformdirektor“ profilierte. Jetzt, wo die Anklage der New Yorker Staatsanwaltschaft gegen ihn zusammenbricht, ist ein guter Zeitpunkt, sich daran zu erinnern, welche Meilensteine er gesetzt hat und welches Erbe Lagarde damit übernimmt.

Ich meine nicht so sehr die Tatsache, dass Strauss-Kahn den IWF aus seiner annähernden Bedeutungslosigkeit herausgeholt hat und der Fonds jetzt über so hohe Finanzmittel verfügt wie noch nie in seiner Geschichte. Viel wichtiger waren die inhaltlich-diskursiven Akzente, die er gesetzt hat (>>> Der neue IWF. Zwischen Glasnost und Beharren). Das begann in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer Kehrtwende hin zu einer antizyklischen Konjunkturpolitik, wenngleich sich diese vor allem in Bezug auf die Krisenbekämpfung im Norden zeigte. Kurz vor seiner Verhaftung erklärte Strauss-Kahn, dass der Washington Consensus „jetzt hinter uns liegt“, jenes simple Mantra also, dass Deregulierung und Liberalisierung, Privatisierung und Inflationsbekämpfung schon dazu führen würden, dass mit der Globalisierung das Wohlergehen aller verbunden sei. Im Gegensatz dazu forderte Strauss-Kahn eine neue Globalisierung mit sozialer Inklusion und Kohäsion und eine neue Global Governance, die auf multilaterale Kooperation setzt und damit die wichtigste Lehre aus der Finanzkrise und der anschließenden Großen Rezession zieht. So etwas hatte man von einem so herausragenden Vertreter der Funktionseliten des internationalen Systems bis dahin noch nicht gehört.

Christine Lagarde übernimmt also ein schweres Erbe, wenn sie am kommenden Dienstag die Nachfolge des Dominique Strauss-Kahn antritt. Aber sie kann diesem Erbe gerecht werden und den begonnenen Reformkurs des IWF fortsetzen – wenn sie will und dabei genug Verbündete innerhalb des Fonds findet. Diese sitzen nach Lage der Dinge weniger in Europa, das sie auf den Schirm gehoben hat, sondern eher in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Doch auch sie müssen den bislang mangelnden politischen Willen aufbringen, den Fonds zu verändern. Wie die Herausforderungen, vor denen Madame Lagarde steht, im Einzelnen aussehen, habe ich mit Barbara Unmüßig in einem Gastkommentar formuliert, der heute auf Zeit-online (>>> hier) erschienen ist.

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