IWF-Auswahlverfahren: Kapriolenhafte Nachfolgesuche für Rato
Es war nicht zu erwarten, daß die Europäer den Ruf der NGOs nach einer Abschaffung des archaischen Auswahlverfahrens für den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhören würden, nachdem sie kurz zuvor die Besetzung des Präsidentenstuhls der Weltbank mit dem Kandidaten von US-Präsident Bush, Robert Zoellick, ohne die geringste Kritik geschehen ließen. Wie selbstverständlich hatte nach der Ankündigung des vorzeitigen Rücktritts von Rodrigo de Rato das Namedropping begonnen, mit fast ausschließlich europäischen Namen, versteht sich.
Das ging nicht immer ohne Kapriolen ab. So meinte am letzten Freitag ein ungarischer Professor, Lajos Bokros, in einem Leserbrief in der Financial Times, der nächste Geschäftsführende Direktor des IWF sollte aus „New Europe“ kommen, und hatte auch gleich zwei „fine Polish gentlemen“ als Kandidaten parat: Leszek Balcerowiwics und Marek Belka. Beide „world-class people“ hatten immerhin schon einmal das Amt des Stellvertetenden Premierministers und des Finanzministers inne, einer war sogar Präsident der Polnischen Nationalbank. Was unser Professor allerdings nicht erwähnte ist, daß beide Kandidaten demjenigen politischen Lager zugehören, das von der derzeitigen polnischen Zwillingsregierung in die Opposition verbannt wurde – und daß die Zwillinge einen Teufel tun werden, um die eigenen Rivalen an die Spitze einer internationalen Organisation zu hieven. Für diesen Fall hätte allerdings unausgesprochen unser ungarischer Professor zur Kandidatur bereitgestanden (immerhin war auch er schon einmal Finanzminister in „New Europe“) – wäre da nicht der neue französische Präsident Nikolas Sarkozy, dem soviel politische Lager- und Prinzipientreue, wie sie die polnischen Zwillinge aufbringen, natürlich fremd ist.
Übers Wochenende hievte Sarkozy seinen potentiellen Gegenkandidaten, den ehemaligen sozialistischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn (s. Photo), an die Spitze des Kandidatenkarussells und holte dafür auch gleich die Unterstützung der USA, der Briten, der Italiener, der Spanier – und auch der Deutschen ein. Die Financial Times kürte Strauss-Kahn sogleich zum „Sieger im Kandidatenwettlauf“. – Der Sozialist Strauss-Kahn an der Spitze des IWF-Hauptquartiers (s. Photo oben)? Sieht man einmal davon ab, daß ein neues, qualifikations- und verdienstegestützten Auswahlverfahren derzeit (noch) keine Chance hat, wäre das vielleicht gar nicht so schlecht. Strauss-Kahn könnte den unter Rato angestoßenen Reformprozeß im IWF weiter und über die bislang vorgesehenen unzulänglichen Veränderungen hinaus treiben. Dazu müßte er die Europäer als erstes einmal dazu bringen, zugunsten des Südens auf eigene Macht und Einfluß im IWF zu verzichten und in Zukunft mit einer Stimme statt im vielstimmigen Chor zu sprechen. Es gibt nicht viele in Europa, denen das zuzutrauen wäre.
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