G20-Gipfel an der Weggabelung in Rom
Verbesserter Zugang zu COVID-19-Impfstoffen, gerechte Teilhabe am wirtschaftlichen Aufschwung, Senkung gefährlicher Treibhausgasemissionen und Unterstützung einkommensschwacher Länder bei der Anpassung an die Klimakrise: Das etwa sind die Kernforderungen der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam für dem G20-Gipfelan diesem Wochenende in Rom. Die skandalöse Ungleichheit beim Zugang zu Covid-19-Impfstoffen zu beenden, ist die wichtigste Aufgabe der Staats- und Regierungschef*innen auf dem G20-Gipfel. Ursprünglich hatten die wohlhabenden Länder versprochen, dass jeder erfolgreiche Impfstoff „ein globales öffentliches Gut" sein würde; Ländern mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen sagten sie 1,8 Mrd. Impfdosen zu. Ein Jahr später sind davon gerade einmal 261 Mio. (14%) bereitgestellt. Während die Impfquoten in wohlhabenden Ländern teilweise bei über 70% liegen, sind in den ärmsten Teilen der Welt kaum 2% mit mindestens einer Dosis geimpft.
Die dramatische Lage erlaubt kein „Weiter so“, sondern braucht mutige Entscheidungen für Impfgerechtigkeit. Ein konkreter Vorschlag liegt bereits auf dem Tisch: Indien und Südafrika fordern gemeinsam mit über 100 weiteren Ländern die Aussetzung des Patentschutzes für Covid-19-Impfstoffe, um die Produktion zu steigern und die Kosten für alle zu senken. Stattdessen haben sich die wohlhabenden Länder den Löwenanteil der Impfdosen gesichert und verteidigen die Monopolinteressen von Pharmaunternehmen.
Die G20 müssen auch dazu beitragen, die wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise gerechter zu gestalten und insbesondere das weltweite Hungerproblem anzugehen. Mehr als 40 Millionen Menschen leiden unter extremem Hunger, wesentlich verursacht durch die wirtschaftlichen Schocks im Zuge der Pandemie. Weltweit sind die Nahrungsmittelpreise um rund 40% gestiegen, der höchste Anstieg seit über einem Jahrzehnt. Die gesellschaftlichen Ressourcen zur Bewältigung dieser historischen Krise sind allerdings höchst ungleich verteilt: Während die industrialisierten Volkswirtschaften im Jahr 2020 durchschnittlich rund 20%t ihres Bruttonationaleinkommens für die Unterstützung ihrer Bevölkerung ausgaben, waren es in Schwellenländer und der Länder mit niedrigem Einkommen nur zwischen 2 und 5%.
Schließlich
bedroht die Klimakrise die Existenzgrundlage von Millionen Menschen. Von den
verheerenden Auswirkungen extremer Wetterereignisse, steigender Temperaturen
und des Anstiegs des Meeresspiegels sind weltweit am stärksten Menschen
betroffen, die in Armut leben und am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen
haben. Oxfam und andere NGOs fordern die G20-Staats- und Regierungschefs in Rom
dazu auf, ihre Klimaschutzmaßnahmen zu verstärken, indem sie ehrgeizige
nationale Ziele zur Emissionsreduzierung vorlegen, die ihrem fairen Anteil
entsprechen, und ihre Zusagen für die Klimafinanzierung erhöhen.
Außer Acht bleiben dürfen aber auch nicht andere Bereiche. Die Arbeit an dem soeben vereinbarten Steuerreformpaket ist fortzusetzen, um Steuergerechtigkeit herzustellen und gegen die Gewinnverschiebung von Unternehmen sowie die schädlichen Auswirkungen des Steuerwettbewerbs wirksamer vorzugehen. Darüber hinaus muss in universelle Systeme für Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung investiert werden, um Gesundheits-, Klima- und Wirtschaftsschocks und ihre Folgen zu bewältigen.
Alles dies sind keine leicht zu verwirklichen Forderungen. Aber sie charakterisieren, dass die G20 jetzt endgültig am Wendepunkt angekommen sind. Ohne sie in Angriff zu nehmen, werden die G20 an der Wegegabelung in Rom falsch abbiegen und die Chance auf eine neue Form der Global Governance wieder einmal verpassen.
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